Szenische Interpretation Verlaufsskizzen

S

Frank Wedekind “Frühlings Erwachen

1. Aneignung des Lebenszusammenhangs und des Habitus der Figuren

Die Teilnehmer sollen sich in der Auseinandersetzung mit Bildern und Texten einen Einblick in den Lebenszusammenhang von Jugendlichen und ihren Bezugs­personen (Eltern/Lehrer) der bürgerlichen Mittelschichten im ausgehenden 19. Jahrhundert verschaffen. Arbeitsteilig in Kleingruppen entnehmen sie Texten und Bildern Informationen zu den Themen: Lebensbedingungen und Habitus von Jugendlichen und Erwachsenen der bürgerlichen Mittelschicht um 1890.- Familie/Wohnen- Schule- Sexualität_- Erotik – Pubertät und präsentieren diese den anderen Teilnehmern/-innen szenisch so anschau­lich, dass sich diese eine genaue Vorstellung von der Lebens­situation der Jugendlichen machen können.

• Der Spielleiter verteilt Texte und Bilder, die Hinweise auf die o.a. Themen enthalten. Die Teilnehmer/-innen bilden Arbeitsgruppen, die sich jeweils einem Thema zuordnen. Dabei kann innerhalb der Themenschwerpunkte nach Geschlechtern differenziert werden. Bei der Auswertung des Materials sollen sich die Gruppen auf Informationen konzentrieren, die etwas über die sinnlich wahrnehmbare Umwelt, die äußeren Haltungen und Handlungs­weisen, die Einstellungen und Gefühle und die sozialen Beziehungen aus­sagen.

• Die Gruppen überlegen sich, wie sie ihr Wissen den anderen Teilnehmern vermitteln können. Der Spielleiter gibt ihnen dazu Anregungen: z.B.: – Szenen aus dem Alltag einer Familie in Standbildern bzw. mit Mitteln des szenischen Spiels präsentieren und deuten, den Ablauf einer Unterrichtsstunde im Gymnasium 1890 mit allen Teil­nehmern nachspielen, die Beziehungen und Wunschphantasien von Jungen und Mädchen bezüglich des anderen Geschlechts in Standbildern zeigen. • Die Gruppen demonstrieren den übrigen Teilnehmer/-innen szenisch, was sie zu ihrem Thema in Erfahrung gebracht haben. Dabei werden sie befragt.

2. Einfühlung in Haltungen und Situationen von Jugendlichen und Erwachsenen um 1890

Die erarbeiteten Informationen vermitteln Vorstellungen, die sich erst in Ansätzen mit konkreten Situationen, Haltungen und Beziehungen verbinden. Vorstellungen von den äußeren und inneren Haltungen der Menschen sollen durch die szenische Interpretation von Zeichnungen entwickelt werden, die einem Album zur Silbernen Hochzeit von C.W. Allers (1890) entnommen sind. Die Teilnehmer sollen über die szenische Interpretation zeitgenössischer Bilder eine konkrete Vorstellung von den Haltungen und Beziehungen Jugend­licher und Erwachsener gewinnen.Dabei sollen sie im einzelnen

  • die Bilder genau betrachten und beschreiben und dabei ihr sozialhisto­risches Wissen einbringen
  • sich in die Situation und in die abgebildeten Figuren einfühlen und
  • sich Gedanken über deren äußeren und inneren Haltungen in der abgebilde­ten Situation machen
  • für eine Figur angemessene Kleidungsstücke zusammensuchen, bzw. aus ei­nem Fundus entnehmen, anziehen und nach Körperhaltungen suchen, die für die Figur charakteristisch sein können
  • auf der Basis dieser Körperhaltungen Gedanken und Sprechhaltungen der Figuren entwickeln.

• Der Spielleiter legt den Teilnehmern Zeichnungen vor, die aus einem Hoch­zeitsalbum von 1890 stammen. Auf diesen Skizzen sind Erwachsene und Jugendliche abgebildet, die der gleichen sozialen Schicht entstammen wie die Figuren in “Frühlings Erwachen”. Die Teilnehmer sehen sich die Bil­der an und wählen zu zweit (oder zu dritt) eins aus, das sie genauer un­tersuchen wollen.

• Die Gruppen sehen sich das Bild genau an und beschreiben, was sie sehen: den Ort, Aussehen, Kleidung, Körperhaltungen und Tätigkeiten der Perso­nen. Sie klären, was für eine Situation auf dem Bild festgehalten wurde, wer die Personen sein könnten und in welcher Beziehung sie zueinander stehen. Jeder überlegt sich dann, in welcher Figur sie/er sich einfüh­len will. Danach suchen sich (wenn vorhanden) aus einem Fundus Kleidungs­stücke aus, die zu ihrer Person passen und ziehen diese an. Anschliessend nehmen sie die auf dem Bild abgebildete Haltung ihrer Figur ein und suchen danach nach Geh-, Steh- und Sitzhaltungen, die für ihre Person charakteristisch sind. Dabei überlegen sie sich immer wieder, in welcher Situation sich ihre Figur bewegt und was sie gerade denken könnte. Haben sie Gehhaltungen gefunden, stellen sie sich nacheinander der Gesamtgruppe vor. Dabei gehen sie nacheinander durch den Raum und sagen in einem Satz, was ihre Figur in der Situation gerade denken könnte.

• Die Teilnehmer überlegen sich – jede/r für sich – wie alt ihre Figur ist, welchen Beruf sie hat bzw, was sie hauptsächlich tut, was ihre wichtigsten Beziehungen, Wünsche und Probleme sind. Anschließend klären sie, was ihre Person in der auf dem Bild abgebildeten Situation gerade mit welchen Intentionen und Gefühlen tut, wie ihre Beziehung zu den anderen Personen ist und was sie vorher erlebt hat und was sie gleich tun wird was sie in der Situation sagen könnte.

• Die Teilnehmer suchen sich eine Ecke, bauen den abgebildeten Handlungsort auf und nehmen die ent­sprechenden Haltungen ein. Haben sie diese gefunden, erstarren sie für ein paar Sekunden. Dann beginnt einer aus seiner Rolle heraus zu monologisieren: über die Situation, über das, was er gerade tut, denkt, empfindet, wie er zu den anderen steht usw. Während des Mono­logs, der 3 – 5 Minuten dauern sollte, verharren die übrigen in ihrer Haltung. Anschließend monologisiert entsprechend die nächste Figur usw. Haben sich alle eingefühlt, agieren sie aus ihrer Rolle heraus. Sie spielen die Szene weiter, bis sie zu einem Ende kommt. Anschließend sa­gen sie aus ihrer Rolle heraus, wie sie die Szene erlebt haben.

• Die Gruppen stellen ihr Bild im Plenum vor. Während sie den Handlungs­ort aufbauen, wird die jeweilige Bildvorlage herumgereicht. Nacheinan­der sagen dann die Spieler, wer sie sind und begeben sich dann in die vorgegebene Haltung in der Situation. Stehen alle im Bild, sagen sie nacheinander aus der Rolle heraus, was ihre Figur gerade tut und denkt.

3. Aneignung eigener Haltungen während der Pubertät

Die Teilnehmer sollen sich über eine Phantasiereise in die Zeit ihrer ei­genen Pubertät zurückversetzen und eigene Haltungen gegenüber dem jeweils anderen Geschlecht erinnern und darstellen. Dabei sollen sie im einzelnen, sich über eine Phantasiereise in die Zeit zurückversetzen, in der sie in der Pubertät waren, sich klarmachen, welche Haltungen sie damals dem anderen Geschlecht gegenüber eingenommen haben, diese Haltungen in der Gruppe veröffentlichen und die Haltungen anderer Teilnehmer nachahmen.

• Der SL begründet und führt mit den Teilnehmern eine Phantasiereise durch: “Setzt euch bequem hin, versucht euch zu entspannen. Macht dann die Augen zu…Tastet euch langsam in die Zeit zurück, in der ihr etwa in der 7. oder 8. Klasse wart… Fangen wir einfach mal in der Schule an: Wie sah die Schule aus .. von außen? Wo ging man rein, wenn man morgens kam … geht mal in das Gebäude rein, durch die Flure ,,, in den Klassenraum, der dir am deutlichsten in Erinnerung ist … Schau dich im Klassenraum um … wo saßt du? .. Wer saß neben dir? .. Wie war deine Beziehung zu deinem Nachbarn bzw. deiner Nachbarin? … An welche anderen Schüler bzw. Schülerinnen kannst du dich erinnern? Wen mochtest du gerne? Für wen hast du geschwärmt? wie war überhaupt dein Verhältnis zu den Mädchen bzw. Jungen in deiner !lasse? … Oder gab es vielleicht Jungen oder Mädchen aus anderen Klas­sen, die du toll fandest? … Wo bist du ihnen begegnet? Wie hast du dich ihnen gegenüber verhalten? … Wie sah das in deiner Freizeit aus? Hattest du einen Freund bzw. eine Freundin? … Oder hast du dich um einen bzw. eine – zumindest in der Phantasie – bemüht? Suche nach einem Erlebnis aus der damaligen Zeit, das dich besonders betroffen gemacht hat, und finde heraus, wie du dich verhalten hast und welche Gefühle es bei dir ausgelöst hat…So, kommt jetzt langsam zurück in die Gegenwart, öffnet eure Augen…

• Die Teilnehmer zeigen mit einer Körperhaltung, wie sie sich während der Pubertät dem jeweils anderen Geschlecht gegenüber verhalten haben. Eine(r) beginnt, nennt den Namen und zeigt die Körperhaltung. Der/die nächste ahmt diese Haltung nach und wiederholt den Namen, zeigt dann seine/ihre Haltung und nennt den eigenen Namen.

4. Haltungen und Beziehungen von Jugendlichen während der Pubertät

Die Teilnehmer sollen über die Darstellung von Haltungen von Jugend­lichen in Gruppen an typische Haltungen und Beziehungen während der Pubertät erinnern und diese bewusst machen. Dabei sollen sie im einzelnen, sich an selbsterlebtes oder nur wahrgenommenes Gruppenverhalten von Jugendlichen während der Pubertät erinnern, mit Standbildern solche Gruppensituationen zeigen und deuten.

* Die Teilnehmer überlegen sich Situationen, an denen das Gruppenverhal­ten von Jugendlichen während der Pubertät deutlich erkennbar wird. In Kleingruppen zeigen sie solche Situationen mit Hilfe von Standbildern. Dazu wählen sie Grup­penmitglieder aus, bringen sie in eine bestimmte Position und formen sie mit den Hängen so lange, bis sie dem Bild entsprechen, das sie sich von der Situation gemacht haben. Dabei wird nicht gesprochen. Die Gesichts­züge können vom Standbildbauer vorgemacht werden. Der-/diejenige, der/ die geformt wird, hält die jeweilige Modulation fest, indem er ent­sprechend erstarrt. Haben sie ihre Standbilder aufgebaut, beschreiben und deuten sie dieses zunächst von außen. Danach treten sie nacheinander hinter die verschie­denen Jugendlichen im Bild, legen die Hand auf ihre Schulter und sagen, in der Ich-Form, was diese gerade denken und empfinden. Haben alle ihr Bild demonstriert und gedeutet, überlegt sich die Gruppe, in welcher Reihenfolge sie die Standbilder den übrigen Teilnehmern präsentieren können. Anschließend präsentieren die Gruppen ihre Standbilder in einem Bilderbogen. Dabei werden die “Jugendlichen” in den Bildern nicht ausgetauscht. Vielmehr nehmen sie in den einzelnen Bildern jeweils neue Haltungen ein. Der Übergang von einem Bild zum anderen wird durch Klatschen signalisiert.2

5. Einfühlung in die Figuren

Die Teilnehmer sollen sich aufgrund von Rollentexten, historischen Bil­dern und Szenen aus dem Drama eine Vorstellung von der inneren Haltung einer Figur machen. Dabei sollen sie im einzelnen, sich für eine Figur entscheiden, aus deren Perspektive sie das Dramen­geschehen erleben wollen, aus Rollentexten, Bildern und Dramenszenen Informationen über das Leben und die Haltungen der Figur entnehmen, und sich, durch Einfühlungsfragen angeregt, in ihre Figur versetzen und für diese in der Ich-Form eine Selbstdarstellung (Rollenbiografie) schreiben.

5.1 Verteilung der Rollen: Der SL. beschreibt kurz den historischen Lebenszusammenhang und die Proble­matik des Stückes und charakterisiert die Figuren. Die Teilnehmer entschei den sich für die Figur, die sie während der szenischen Interpretation spie len wollen. Welche Rollen besetzt werden, ob zusätzliche Figuren eingeführt werden können oder müssen, ob einzelne Figuren doppelt besetzt und damit unter­schiedlich intepretiert werden können, hängt von der Zielsetzung, der Teil­nehmerzahl, aber auch vom Verhältnis der männlichen und weiblichen Teilnehmer ab. Bei der Entscheidung können folgende Prinzipien leitend sein: Auf jeden Fall übernommen werden: die Schüler Melchior, Moritz Stiefel, Hänschen Rilow und Ernst Röbel, die Mädchen Wendla, Martha und Thea, die Mütter Frau Bergmann und Frau Gabor und Ilse. Sollen die Haltungen und Beziehungen der Jungen untereinander angemessen untersucht werden, müssen auch die anderen Jungen-Rollen (Robert, Georg, Otto) besetzt werden. Die Rolle Lämmermeiers kann vom Spielleiter übernom­men werden. Stehen genügend Frauen zur Verfügung, sollten zusätzlich Mütter eingeführt werden: Frau Rilow, Frau Bessel (Mutter von Martha), Frau W. (Mutter von Thea), Ina (Wendlas Schwester). Sind zusätzliche männliche Teilnehmer vor­handen, kann die Rolle von Herrn Gabor, evtl, auch die von Rentier Stiefel besetzt werden; darüber hinaus kann natürlich auch der Vater von Martha (Herr Bessel) eingeführt werden. Liegt ein Schwerpunkt bei der Untersuchung der Schulsituation der Schüler, dann können auch die Lehrerrollen von vornherein besetzt werden. Sollen für einzelne Figuren unterschiedliche Haltungen und Deutungen erar­beitet werden, können diese doppelt besetzt werden. Dabei muss darauf ge­achtet werden, dass die Spieler/-innen nicht in Konkurrenz zueinander gera­ten. Das könnte z. B. passieren, wenn zwei Wendlas mit nur einem Melchior konfrontiert werden. Doppelt besetzt werden sollten deshalb grundsätzlich nur Figurengruppen – etwa Melchior, Moritz, Wendla, evtl. Frau Bergmann -, so dass die Interpretation durch unterschiedliche Teams vorgenommen werden. Zentrale Figuren können Hilfs-Ichs zur Seite gestellt werden, deren Funk­tion darin besteht, immer wieder auszusprechen, was in den Figuren abläuft, welche Gedanken und Gefühle diese nicht aussprechen. Da diese Hilfs-Ichs nur an bestimmten Stellen in das Geschehen eingreifen, bleiben sie eher in den Beobachterpositionen, was die Intensität des Erlebens beeinträchtigen kann.

5.2. Erarbeitung der inneren Haltungen der Figuren

Die Teilnehmer bekommen zu der Figur, die sie während der szenischen Inter­pretation repräsentieren werden, Szenen aus dem Drama, in denen ihre Figur agiert und sich dadurch charak­terisiert, einen Rollentext, der historisches Wissen über den Lebenszusammenhang und die Haltung ihrer Figur zusammenfasst, evtl. Bilder, die die äußere Haltung und bestimmte Situationen historisch präzisieren (vgl. die oben abgebildeten Bilder) und Fragen zur Einfühlung, die helfen sollen, sich ein Bild von der äußeren und inneren Hal­tung der Figur zu machen. Sie arbeiten das Material durch und schreiben eine Selbst­darstellung (Rollenbiografie) für ihre Figur. Dabei schreiben sie in der ersten Person (Ich-Form) und mit ganzen Sätzen. Die Fragen zur Einfühlung können anregen, brauchen aber nicht alle beantwortet werden. Die Rollenbiografien werden im Plenum oder in Kleingruppen vorgelesen. Sind Rollen mehrfach besetzt, können die Rollenbiografien verglichen werden, indem nach den unterschiedlichen Haltungen gefragt wird, die in den Texten sichtbar werden.

5.3 Erarbeitung der äußeren Haltungen der Figuren

Die Teilnehmer sollen sich zur inneren Haltung ihrer Figur Körper- und Sprechhaltungen erarbeiten und diese präsentieren.Dabei sollen sie sich für ihre Figur eine passende Kleidung suchen, Geh-, Steh- und Sitzhaltungen erarbeiten und an ausgewählten Äußerungen eine Sprechhaltung entwickeln.

•Die Teilnehmer suchen sich – angeregt von den historischen Körperhal­tungen – Kleidungsstücke (zu Hause bzw. aus einem Fundus) zusammen, die zu ihrer Figur passen und ziehen diese an.Dann gehen durch den Raum und experimentieren mit unterschiedlichen Geh-, Sitz- und Stehhaltungen. Haben sie Haltungen gefunden, die zu ihrer Figur passen, überlegen sie sich dabei jeweils, in welcher Situa­tion sich die Figur befindet und was sie gerade denkt. Danach stellen sie ihre Figur in einer typischen Haltung vor und sagen dabei in der Ich-Form, was sie gerade denken.

•Alle suchen sich aus den Szenen, die sie gelesen haben, Äußerungen ihrer Figur heraus, die sie für charakteristisch halten. Sie suchen sich einen Ort im Raum und sprechen den Text mit unterschiedlicher Stimmlage und Intention. Dabei überlegen sie sich, in welcher Situation sie die Äuße­rungen mit welcher inneren Einstellung machen. Haben alle eine für ihre Figur charakteristische Sprechhaltung gefunden, präsen­tieren sie diese nacheinander der Gruppe, die dann jeweils die Haltung und die mögliche Situation beschreibt.

5.4. Einfühlung in Situationen

Die Teilnehmer sollen über die Einfühlung in eine bestimmte Situation er­fahren, was ihre Figur am liebsten tut und welche Gedanken und Empfindungen sie dabei beschäftigen. Dabei sollen sie im einzelnen sich Lieblingstätigkeit- und -Ort ihrer Figur überlegen, den Ort aufbauen und die Tätigkeit durchführen und im Gespräch mit dem SL eine innere Haltung zu der konkreten Situation entwickeln. SL.: “Es ist Sonntag nach dem Mittagessen. Alle gehen ihren Lieblings­tätigkeiten nach. überlegt euch, was-eure-Lieblingstätigkeit ist und an welchem Ort ihr sie ausführt.”Nachdem alle ihre Situation gefunden haben, bauen sie nacheinander ihre Handlungsorte auf, begeben sich an ihren Platz und führen ihre Lieblings­tätigkeit aus. Der Spielleiter begibt sich dann zu ihnen und fragt sie nach dem Ort, ihrer Tätigkeit, ihren Gedanken und Empfindungen.

6. Haltungen und Beziehungen der Jungen (Szene 1,2)

Die Gymnasiasten Melchior, Moritz, Ernst, Robert, Otto, Georg und (als stummer Teilnehmer) Hänschen Rilow spielen Sonntagabend im Park. Melchior hat keine Lust mehr, deshalb wird das Spiel abgebrochen und die Schule ge­rät wieder in den Mittelpunkt: “Zentralamerika! Ludwig der Fünfzehnte! Sechzig Verse Homer! – Sieben Gleichungen!” “Verdammte Arbeiten”. Der Ge­danke an die Schule reißt die Jungen auseinander: sie gehen nach Hause. Nur Melchior, der Primus, und sein Freund Moritz, der mit der Schule zu kämpfen hat, bleiben zurück. Vorsichtig bringt Moritz das Gespräch auf seine ersten “männlichen Regungen”, auf den ersten Samenerguss und die Todesängste, die er dabei und seitdem ausgestanden hat. Er ist nie aufgeklärt worden, weiß nichts über Sexualität, wendet seine sexuellen Regungen gegen sich selbst. Melchior, der aus Büchern, Gesprächen und Beobachtungen in der Natur Be­scheid weiß, bietet ihm an, gemütlich über die “Fortpflanzung” zu plaudern. Moritz flüchtet lieber zu den Schularbeiten, bittet aber Melchior um eine Aufklärungsschrift. Die Szene 1, 2 zeigt in zugespitzter Weise die Probleme, mit denen sich die Gymnasiasten herumschlagen: der Gedanke an die Schule greift in die Freizeit ein, strukturiert das Verhalten und die Beziehungen. Erwachende sexuelle Regungen und Bedürfnisse erzeugen Schuldgefühle, müssen in einer in sexueller Prüderie erstarrten sozialen Umgebung abgewehrt und aggressiv in Träumen ausgelebt oder als Versagen erlebt werden.

Die Teilnehmer sollen in der Auseinandersetzung mit der Szene einen ersten Zugang zu den Problemen, Beziehungen, Selbst- und Fremdbildern der Jungen erarbeiten. Dabei sollen sie im einzelnen erfahren, wie die Schule und der Gedanke an die Schule bis in die Freizeit hinein wirkt und die Beziehungen, Selbst- und Fremdbilder beeinflusst wie die Jungen von den Mädchen und den Eltern eingeschätzt werden welche Bedeutung die ersten sexuellen Regungen für die Jungen haben, wie sie sich damit auseinandersetzen und welche Einstellungen die Mäd­chen und die Eltern dazu haben.

•Die JUNGEN in der Gruppe: Melchior•,•Moritz•,•Ernst;•Hänschen•(als stummer Teilnehmer),•Robert•,•Otto• und •Georg• lesen den Anfang der Szene 1,2 (Sonntag abend) und überlegen sich, was sie in dieser Szene mit welchen Intentionen tun und wie ihre Be­ziehungen zu den anderen Figuren sind. Der SL. baut inzwischen den “Park” auf, in dem die Jungen sich treffen. SL.: “Die Jungen treffen sich im Park und spielen mit Würfeln. Geht nach­einander in die Situation hinein. Sucht euch einen Platz und nehmt die Haltung ein, die eure Figur zu Beginn der Szene zeigt. Erstarrt in die­ser Haltung.“`Haben alle Spieler ihren Platz eingenommen, geht der Spielleiter von einem zum anderen und fragt sie, was sie gerade denken.

•Die Gruppe aus der Perspektive einzelner Jungen: Die Spieler lesen den Text mit verteilten Rollen. Danach zeigen nach­einander•Ernst•, •Georg•, •Hänscherr und •Otto• in Standbildern, wie sie sich die Beziehung in der Gruppe in dieser Situation vorstellen. Sie bauen dabei die anderen Jungen im Raum und in der Haltung so auf, wie sie sie sehen und nehmen dann selbst eine Haltung in der Beziehungskonstellation ein. Stehen alle im Bild, erstarren sie. Der Standbildbauer sagt dann, wie er die Situation aus seiner Perspektive heraus wahrnimmt. Danach tritt er nacheinander hinter die anderen “Jungen” und sagt, was sie seiner Meinung nach gerade denken. Die “Mädchen” sagen, welcher “Junge” ihnen am besten gefällt und begründen ihre Aussage. Sie bauen diese “Jungen” so auf, wie sie ihn am liebsten sehen. Der Spielleiter arrangiert aufgrund der Aussage der MädchennSituationen, durch die die Wünsche der Mädchen präzisiert, z.T, auch erprobt werden..

°Nachdem sich alle außer Melchior und Moritz entfernt haben, kommt es zu einem Gespräch zwischen den beiden. Alle lesen den zweiten Teil der Szene. “Melchior” und “Moritz” überlegen sich, worüber sie in der Szene mit welchen Intentionen sprechen. Die anderen überlegen, was sie von dem Gespräch halten und wo sie glauben, dass Melchior und Moritz etwas anders sagen, als sie denken.

°Melchior•und•Moritz•begeben sich an den Ort, an dem sie sich bei diesem Gespräch befinden. Der Spielleiter fühlt sie in kurzen Gesprächen in die Situation ein. Die Szene wird gespielt. Die Beobachter und der Spielleiter unterbrechen das “Gespräch” durch Stop-Rufe und fragen “Melchior” bzw.”Moritz”, was sie gerade denken und empfinden. Nach dem Spiel sagen “Moritz”und “Melchior”, wie sie ihr “Ge­spräch” erlebt haben.

7. Haltungen und Beziehungen der Mädchen (1,3)

In 1,3 gehen Wendla, Martha und Thea spazieren. Sie unterhalten sich über Jungen, Frisuren, Kleider, Kinder und Erziehung. Dabei werden unterschied­liche Einstellungen sichtbar, die auf die Erziehungspraktiken der Eltern zurückverweisen.Die Teilnehmerinnen sollen sich in der Auseinandersetzung mit der Szene mit den Problemen, Wünschen und Beziehungen der Mädchen vertraut machen. Dabei sollen sie im einzelnen erfahren, welche Einstellungen die Mädchen zu den genannten Problemen, zu sich und zu den anderen Mädchen haben, wie sie von den Jungen wahrgenommen werden und wie sie von den Eltern gesehen und gewünscht werden.

°Alle lesen die Szene und führen folgende Arbeitsaufträge aus:”Wendla”, “Thea”, “Martha”: überlegen sich, wie sie sich selbst in Beziehung zu den anderen Mädchen sehen, wie sie dies einschätzten und wie sie von diesen wahrgenommen werden: Warum geht ihr spazieren und was interessiert euch am Gespräch? Die “Jungen”überlegen sich, wie sie zu den einzelenen Mädchen stehen: Welche gefällt euch am besten und warum? Die Eltern überlegen sich, welche Mädchen ihnen gefallen: Wie wünscht ihr euch die Beziehungen zwischen den Mädchen?

° Der Spielleiter führt nacheinander mit Wendla, Thea und Matrha kurze Einfühlungsgespräche über ihre momantane Lebenssituation und ihre Beziehung zu den anderen Mädchen. Die Mädchen bauen dem Ort auf. Wendla beschreibt den Ort im Gespräch mit dem Spielleiter.

°Martha holt Thea zu Hause ab. Beide gehen dann zu Wendla und begeben sich mit ihr auf den Spaziergang. Die Szenen werden improvisiert. Hier und in der folgenden Szene beobachten die übrigen Teilnehmer/innen die drei Mädchen aus ihrer Rolle heraus und überlegen sich, welches der Mädchen ihnen am besten gefällt.

° Die 3. Szene wird gespielt. Spielleiter und Beobachter unterbrechen durch Stopp-Rufe und fragen nach den Gedanken der Mädchen. Danach sagen die Jungen nacheinander im Gespräch mit dem Spielleiter, welches der Mädchen ihnen am besten gefällt. Der Spielleiter arrangiert Begegnungssituationen mit den jeweiligen Mädchen, um die Haltungen der Jungen zu den Mädchen sichtbar werden zu lassen. Schließlich bewerten die Erwachsenen die Mädchen und zeigen mit Standbildern, wie sie sich den Umgang der Mädchen miteinander wünschen.